1999 - Die Kirchspielschule und die Vikare


Es war etwa um 1664. Die adeligen Herren von Melschede, Reigern und Wicheln sowie den Propst von Oelinghausen und die Bürgermeister mit Rat der Freiheiten Hachen und Langscheid verband ein brennendes Anliegen:

Die Kinder des Kirchspiels Enkhausen mußten endlich eine Schule bekommen. Gemeinsam baten sie ihren Erzbischof Maximilian Heinrich in Köln, eine „Curatvikarie“, das heißt, eine Schulvikarie gründen zu dürfen. Der Erzbischof zeigte großes Verständnis und gab bereitwillig seine Genehmigung mit der Weisung, man möge zusammen überlegen, wie die geplante Schulvikarie möglichst bald zu finanzieren, einzurichten und zu unterhalten sei.

Die Stiftungsurkunde für eine Curatvikarie (Schulvikarie) wurde am 26. September 1665 verfaßt und von Erzbischof Maximilian Heinrich bestätigt. Der Freiherr von Wrede zu Melschede stiftete großherzig „400 Thaler“ für die gute Sache. In der Enkhauser Kirchenchronik heißt es wörtlich: „Wegen der meisten Bemühung bei Errichtung der Schulvikarie, die der Freiherr Ferdinand von Wrede sich gegeben hatte und wegen dem bedeutenden Vikarie-Capital von 400 Thalern, wurde demselben und seinem adlichen Hause das völlige Patronatrecht zugestanden.“

Das adelige Haus von Wrede bekam „auf ewig“ das Patronat und damit das Recht der Präsentation der Vikare von St. Laurentius-Enkhausen. Schulzimmer und Dienstwohnung der Vikare waren in der Vikarie untergebracht, einem 2-stöckigen Fachwerkhaus, das außerhalb der Kirchhofsmauer, nahe der Straße stand.

Mit Joann Carl ab Ohl aus Arnsberg bekam das Kirchspiel Enkhausen den ersten Vikar, der zugleich Lehrer war. (Er stiftete u. a. den Höveler Altar!)

Zum ersten Mal war nun ein geordneter Schulunterricht gewährleistet!

In früherer Zeit hatte ein Schmied - sein Name war Caspar Nölleken – die Kinder unterrichtet! Es gab nun eine Kirchspielschule für die Kinder aller Bewohner des großen Kirchspiels.

Wie stand es aber mit den weiten Wegen von Retringen, Wettmarsen, der Oelinghauser Heide, Langscheid, Hachen und Hövel nach Enkhausen – besonders in den Wintermonaten, bei Kälte, Dunkelheit und Nässe? Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen.

84 Jahre lang haben die Kinder alle Last und Mühsal auf sich genommen, um in der Kirchspielschule zu Enkhausen das Nötigste für ihr späteres Leben zu erlernen.

Im Jahre 1749 endlich wandten sich die Bewohner von Wettmarsen, Albringen, Retringen, Dreisborn, Dahlhausen und Stiepel entschlossen an den Erzbischof bzw. an das Generalvikariat in Köln mit der Bitte, ihre Kinder bei einem „gemäß den Synodalstatuten approbierten Schullehrer unterweisen zu lassen.“

Der Weg zur Kirchspielschule nach Enkhausen sei einfach zu weit und besonders im Winter ungeheuer beschwerlich.

Der Enkhauser Pastor Rudolf Martini befürwortete das Anliegen der Leute und daraufhin gab der Kölner „Vikarius Generalis“, Andreas Franken, die Erlaubnis unter folgender Bedingung:

„Dass der jedesmalige Schullehrer zuerst vom Herrn Pastor gehörig examiniert und für fähig befunden würde.“

Außerdem wurde festgelegt, der Lehrer habe seine Schulkinder vor den Osterferien wenigstens zweimal nach Enkhausen in die allgemeine Kirchspielschule zu bringen, damit der Herr Pastor sich vom Kenntnisstand der Kinder – besonders im Fach Religion – überzeugen könne!

Später – noch im 18. Jahrhundert – haben sich auch die Freiheiten Langscheid und Hachen um eigene Lehrer und um eine eigene Schule bemüht. Zuletzt besuchten nur noch die Kinder aus Enkausen, Bailerhof, Ainkhausen, dem näher gelegenen Teil der Oelinghauser Heide, Kirchlinde, Estinghausen und Hövel die Kirchspielschule, die bis zum Jahre 1828 von einem Vikar geführt wurde.

Es hat in Enkhausen neun Schul-Vikare gegeben. Der letzte, der 9. Vikar, war Joann Gerhard Johanning aus dem Emsland. Er starb am 29.2.1828.

Nach seinem Tod wurde die Lehrerstelle mit dem Küster- und Organistenamt verbunden und die Vikare konnten sich nun ganz ihrer seelsorgerischen Tätigkeit widmen.

Von 1665 – 1922 waren in ununterbrochener Folge 28 Vikare in der Pfarrei St. Laurentius-Enkhausen segensreich tätig.

Philipp Schübeler war der 28. Vikar (1915 – 1922). Seit 1923 in Wennigloh, besuchte er noch oft und gern zufuß das ihm sehr vertraute Dörfchen Enkhausen. Der klare „Enker“ aus der „Wulweskuhle“ hatte es ihm angetan; er trank ihn regelmäßig, jedoch in Massen! Die älteren Enkhauser werden sich noch gut an den leutseligen Vikar Schübeler erinnern können!

Die Vikar-Stelle in Enkhausen war im Jahre 1922 überflüssig geworden, da Langscheid, Hachen und Hövel abgepfarrt wurden und eigene Seelsorger erhielten.

Erst im Jahre 1946 kam mit Heinrich Schoppmeier wieder ein Vikar nach Enkhausen; der 29.! Der Grund war: Stemel hatte eine eigene Kirche und damit einen eigenen Gottesdienst bekommen, der von Enkhausen mitübernommen wurde. Heinrich Schoppmeier war vom 12. September 1946 bis zum Tode von Pfarrer Bernhard Kersting am 11.2.1947 ein bei der Enkhauser Jugend überaus beliebter Vikar. Er sollte die verwaiste Pfarrei St. Laurentius noch bis zum Einzug von Pfarrer Franz Spielmann am 12. Juni 1947 verwalten.

Ob Enkhausen jemals einen 30. Vikar bekommen wird?

Es steht wohl in den Sternen.

Ein kleiner Nachtrag zur Schulgeschichte:

Wie ging es weiter, nachdem die Vikare nicht mehr den Schuldienst wahrgenommen haben?

Die Enkhauser Lehrer, die ab 1828 das „Küsterei“-Gut bewirtschafteten, unterrichteten die Kinder zunächst weiter im Schulraum der „Vikarie“ – bis im Jahre 1858 ein eigenes Schulgebäude auf der Höhe hinter der Kirche auf einem Grundstück der Küsterei errichtet wurde. Es bestand aus einem einzigen großen Raum und hatte einen hohen schwarzen Eisenofen, der im Winter vor Hitze nur so glühte. Die Toiletten waren außerhalb des Gebäudes untergebracht; es waren mehrere „Plumps-Klos“!

Das 1. Schulgebäude im Kirchspiel Enkhausen - die „Vikarie“ - wurde etwa 1907 – 1908 abgerissen.

Im Frühjahr 1904 bekam Hövel eine eigene Schule. Der erste Lehrer war Ludwig Büttner aus Gelsenkirchen.

Im Jahre 1910 hatte auch Stemel eine eigene Schule.

Die „alte Schule“ hinter der Kirche war irgendwann nicht mehr zeitgemäß und so wurde eine für die damalige Zeit sehr schöne, helle und moderne „neue Schule“ am 26. Februar 1931 feierlich eröffnet. Es war ein Tag großer Freude und er wurde entsprechend begangen:

Morgens, nach der Hl. Messe war eine kirchliche Feier mit Gebeten und Segnungen zum besonderen Anlaß; nachmittags fand auf „Flüggen Saal“ eine weltliche Feier mit hohem Besuch statt:

Landrat Dr. Haslinde,
Kreisschulrat Klein und
Kreisbaurat Dr. Freckmann.

Der damalige Lehrer Anton Klauke sprach informierende Worte zur Schulgeschichte und die Vorsteher von Enkhausen und Estinghausen, Johannes Feldmann und Gottfried Heymer, sollen bewegende Ansprachen gehalten haben.

Die Zeit geht unaufhaltsam verändernd über alles hinweg.

Die „alte Schule“ von 1858 wurde vor einigen Jahren abgerissen. Sie war unbenutzt und baufällig. Ein Ehrenhain für die gefallenen und vermißten Soldaten beider Weltkriege ist auf dem alten Küstergelände entstanden. In dem Schulgebäude von 1931 befindet sich inzwischen das „Heinrich-Lübke-Museum“.

Heute, an der Schwelle zum Jahr 2000, hat der geschichtsträchtige Ort Enkhausen – 1000-jähriger Standort einer

Kirche – keine eigene Schule mehr.

Es heißt, das sei Fortschritt!

Auszug aus einem Gedicht, das Christine Koch Enkhausen zur Einweihung der „neuen Schule“ im Jahre 1931 gewidmet hat:

„Säu laiw, säu schoin use häimeske Dal !
Un härr vey unger hundert de Wahl,
Vey söchtent liuter und liuter wier iut,
Met tauen Äugen füngen vey’t riut.“

So lieb, so schön, unser heimisches Tal!
Und hätten wir unter hundert die Wahl,
Wir suchten es immer und immer wieder aus,
Mit zuen Augen fänden wir’s raus.

Fiär jeden Bäum, fiär jedver Hius
Hiege vey truien Kinnesgriuss;
Of nigge udder alt, of klain udder gräut:
As Kingern scheynt alles räusenräut.

Für jeden Baum, für jedes Haus
hegen wir einen Kindergruss;
ob neu oder alt, ob klein oder groß:
Uns Kindern scheint alles rosenrot.

Bo’n junk wäik Hiäte Wuateln slätt,
Bo’t de besten Johre trügge lätt,
Is Paradeys, is Hielegenland:
Häime, Kiärke un Schäule benannt.

Wo ein junges weiches Herz Wurzeln schlägt,
wo es die besten Jahre erlebt,
ist Paradies, ist Heiliges Land:
Heimat, Kirche und Schule genannt.