1997 - Vor 100 Jahren - ein kirchengeschichtlicher Rückblick


Es ist das Jahr 1897. Kaum haben die Glocken das neue Jahr eingeläutet, da beginnt der rührige Architekt Fischer, der in den Jahren 1895 - 1896 die neugotische Kirche in Enkhausen gebaut hat, schon wieder mit der Arbeit. - Es gibt in diesem Jahr 1897 noch viel zu tun!

Kurz vor dem Winter konnte die neue Kirche wohl mit einem Schieferdach versehen und somit das Mauerwerk vor der Unbill des Winters geschützt werden, aber im Januar 1897 ist das Längsschiff noch ohne Fenster und Türen - es ist nicht mehr als ein Rohbau. Dem Architekten ist es ein Anliegen, sich bis ins Detail um die Einrichtung der Kirche zu kümmern und so legt er seinem Schreiben vom 15. Januar 1897 an Herrn Pfarrer Jacobs folgende Schriftstücke bei:

1. Kostenberechnung zur Bemalung von Chorraum, Querschiff und Längsschiff für den Maler Gerhard Goldkuhle in Wiedenbrück. Er empfiehlt den jungen Meister mit den Worten: „Er (Goldkuhle) ist persönlich immer dabei, hat guten Farbensinn und ist ein sehr braver Mann.“

2. Zeichnung der Orgelemporenbrüstung für den Schreinermeister Braun in Neheim.

3. Zeichnung zu den Säulen unter der Orgelempore für den Zimmermeister Wilhelm Heymer.

4. Zeichnung zur Haupteingangstür für Schreinermeister Braun in Neheim.

„Ich möchte gern eine schöne Tür haben; dieselbe sitzt doch für Jahrhunderte an dieser hervorragenden Stelle!“

Ja, so war es damals, der Architekt plante und der Meister schaffte „für Jahrhunderte“! -

Ihre Arbeit war ihre Ehre!

Wir sollten einmal innehalten und uns heute - nach 100 Jahren - die Haupteingangstür, eine Doppeltür, genau ansehen. Sie ist mit ihren präzise und kunstvoll ausgeführten Schnitzereien zeitlos schön und das helle massive Eichenholz mit den handgearbeiteten schwarzen Eisenbeschlägen scheint unvergänglich zu sein. (Wie wohltuend und tröstlich sind diese Dinge in unserer oft oberflächlichen, computergesteuerten Zeit.)

Wie ein guter Hausvater, so kümmert sich der Architekt nicht nur um die äußere Form der Kirche, sondern ebenso intensiv um die gesamte Inneneinrichtung, die er zeichnerisch genau festlegt!

In diesem Schreiben vom 15. Januar 1897 fragt er u. a. beim Enkhauser Pfarrherrn auch an, ob die Fenster für das (Längs-) Schiff schon bei der Firma Von der Forst in Münster bestellt seien.

Der Bauherr in Enkhausen, Herr Pfarrer Jacobs, ist Anfang des Jahres 1897 offensichtlich ebenso voller Tatendrang wie sein Architekt! So wendet er sich am 20. Januar 1897 an das Generalvikariat in Paderborn:

„In Folge des Neubaues der hiesigen Kirche, der bis auf die innere Einrichtung (des Längsschiffs) beendigt ist, läßt es sich nicht umgehen, die Orgel aus dem feuchten Thurmgelaß, in dem sie bisher stand und wo dem Organisten jeder Ausblick auf den Altar fehlte, auf die neu anzulegende Bühne zu schaffen; bei dieser Gelegenheit sind auch einige Verbesserungen an derselben vorzunehmen. Von den zwei hierzu eingereichten Kostenanschlägen schien dem Kirchenvorstand der von Orgelbauer Tennstädt in Paderborn den Vorzug zu verdienen. Derselbe beläuft sich auf 1.156 Mark und ist diese Summe durch die Beschlüsse vom 15. (Kirchenvorstand) bzw. 17. d. Monats (kirchliche Gemeindevertretung) bewilligt worden.“

Mit Schreiben vom 26. Januar 1897 genehmigt das Generalvikariat in Paderborn die Enkhauser Beschlüsse, dem Orgelbauer Tennstädt den Zuschlag zu geben.

Orgelbauer E. Tennstädt verspricht, den erteilten Auftrag u. a. zu folgenden Bedingungen auszuführen:

„Der Abbruch der Orgel ist mit größter Vorsicht auszuführen. Von dem Schaden, der dem Orgelwerke dabei zugefügt wird, trägt der Unternehmer ein Drittel. Die Orgel muß bis Pfingsten d. J. (1897) wieder aufgestellt und zum Gebrauche fertig sein.“

In Sitzungen des Kirchenvorstandes vom 21. März 1897 und der kirchlichen Gemeindevertretung vom 28. März 1897 wird beschlossen, bei dem Schreinermeister Robert Braun in Neheim 24 Kirchenbänke zum Preis von 1.000 Mark zu bestellen. Der Zuschlag wird unter der Bedingung erteilt, daß die Bänke nach der von Architekt Fischer gezeichneten Musterbank aus gutem, ast- und splintfreiem und trockenem Eichenholz gefertigt werden.

Meister Braun bekommt auch den Auftrag zur Fertigung der Orgelbühne, der Emporenbrüstung, die er nach der Zeichnung des Architekten zu arbeiten hat, und der Kirchentüren.

Fischer bestimmt:

„Der Meister hat die Arbeiten aus bestem, trockenen Holz herzustellen. Zu den Thüren ist nur ast- und splintfreies, gleichfarbiges Eichenholz zu verwenden. Die Arbeiten sind sämtlich bis Ende Mai fertigzustellen.“

Für den Bauherrn, Pfarrer Jacobs, sowie den Enkhauser Kirchenvorstand ist es selbstverständlich, den Auftrag für die Herstellung der bleiverglasten Fenster des Längsschiffs wieder an die renommierte, weltweit anerkannte Firma Von der Forst in Münster zu vergeben. (Goldmedaillen für hervorragende Arbeiten 1888 in Brüssel und 1889 in Melbourne.)

Victor Von der Forst bietet alle Fenster des Längsschiffs zum Preise von 1.094 Mark an und verspricht, die Lieferfrist bis Ende März 1897 einzuhalten.

Am 3. Juli 1897 bescheinigt Victor Von der Forst, aus der Kirchenkasse zu Enkhausen von dem Rendanten Herrn Potthoff, Hachen, 1.094 Mark erhalten zu haben.

Etwas sollte nicht unerwähnt bleiben:

Mit einem der Fenster im Längsschiff, dem Buntfenster zur Nord-West-Seite über der Orgelbühne, hat es eine besondere Bewandtnis!

Das Fenster hat im oberen Teil die Form des sechszackigen Sterns der Juden und es zeigt in leuchtenden Farben den alttestamentarischen König David mit der Harfe. Im unteren Teil ist die Hl. Cäcilia mit einer stilisierten Orgel zu sehen.

Nach mündlicher Überlieferung ist dieses Fenster eine Stiftung der jüdischen Familie Grüneberg, die damals in Hachen ansässig war. Es ist sicher ungewöhnlich, daß eine Familie jüdischen Glaubens einem katholischen Gotteshaus solch ein großzügiges Geschenk macht!

Aber es gibt eine Erklärung:

Es ist aktenkundige Tatsache, daß die Kirche zu Enkhausen dem Juden Grüneberg ein Startkapital in Höhe von 3.500 Mark gewährt hat (zu jener Zeit ein Vermögen!), das Jacob Grüneberg am 7. September 1857 zurückzahlte. Ob das schöne bunte Fenster ein „Dankeschön“ der Grünebergs sein sollte?!

Wie dem auch sei:

Wenn die späte Nachmittagssonne das Buntfenster aufleuchten läßt, dann ist es fürwahr ein leuchtendes Beispiel für ein friedliches Miteinander zweier Religionen; ein Zeichen auch für Toleranz und Loyalität!

Doch nun zurück zur Ausschmückung der Kirche:

Inzwischen ist Malermeister Gerhard Goldkuhle dabei, Chor und Kreuzschiff für 3.150 Mark und das Längsschiff für 1.260 Mark zusammen: 4.410 Mark zu „decorieren“.

Bauherr und Architekt sind mit den ausgeführten Malerarbeiten vollauf zufrieden und es wird dem jungen Meister „gutes Talent und fleißiges Studium“ bescheinigt.

Es ist nun Hochsommer im Jahre 1897 und das St. Laurentiusfest, das Fest des Jahres zu Ehren des Kirchenpatrons, naht.

Laurentius 1897 wird von den Bewohnern des Kirchspiels Enkhausen mit besonderer Freude erwartet, denn nach 205 Jahren soll das feierliche Levitenhochamt erstmals wieder in der Kirche, in der neuerbauten, großen Kirche, gefeiert werden (Im Jahre 1692 ermächtigte der Kölner Weihbischof Anethan den Pfarrer von Enkhausen, am Lorenzfeste das Hochamt im Freien zu begehen, da die kleine Kirche die Menschenmenge nicht fassen konnte.)!

Das alte Enkhauser Kirchspiel hat aber noch einen weiteren Grund zur Freude. Am Laurentiusfest soll der neue Kreuzweg aus Terrakotta von einem Franziskaner-Pater aus Werl feierlich geweiht werden.

Schon am 11. März 1897 schreibt der Generalvikar Wigger an Herrn Pfarrer Jacobs:

„Mit Bezugnahme auf Euer Hochwürden Eingabe vom 7. d. M. gestatten wir die Errichtung eines Kreuzwegs von 14 Stationen in dortiger Pfarrkirche. Wegen der Einsegnung wollen Sie sich mit einem Pater eines zunächst gelegenen Klosters in Verbindung setzen.“

Die Firma Julius Lammersen in Paderborn soll den Kreuzweg herstellen. Der Firmenchef dankt Herrn Pfarrer Jacobs und sagt ihm:

„Sie können versichert sein, daß ich Ihnen etwas Schönes und Gediegenes liefern werde.“

Heute - nach 100 Jahren - sind die 14 Stationsbilder noch wie neu; die Zeit scheint spurlos vorüber gegangen zu sein an dem mit erstaunlichem Kunstsinn und großem Einfühlungsvermögen geschaffenen Kreuzweg!

Ja, das Laurentiusfest 1897 ist etwas Besonderes; alle anwesenden Gläubigen sind zutiefst beeindruckt. Davon zeugt der nachfolgende Auszug aus dem Bericht eines Zeitzeugen, der am Mittwoch, dem 11. August 1897, im „Central-Volksblatt“ erschienen ist:

„Bei der gestrigen Laurentiusfeier war der Fremdenzufluß ein ganz gewaltiger, so daß unsere neue Kirche die Menge nicht alle zu fassen vermochte; gewiß ein gutes Zeichen für den religiösen Sinn des Sauerlandes. Über unsere neue Pfarrkirche hörte man nur allgemeine Bewunderung. Dieselbe ist aber auch in der That eine Perle der Baukunst und gebührt für die formvollendete, stilgerechte Ausführung in erster Linie dem Herrn Baumeister Tegethoff, sowie dem unermüdlichen Eifer unseres verehrten Herrn Pfarrers Jacobs, das höchste Lob. Augenblicklich ist man mit der Decorierung der Kirche beschäftigt und wird dann hoffentlich nach Vollendung die Schönheit des Baustils noch mehr zur Geltung kommen. Auch die Außenseite macht einen bestechenden Eindruck, da das Mauerwerk aus feinstem blauen Kalkstein ist. Die Fenster- und Thüreinfassungen sind in grünem Anröchter-Sandstein ausgeführt. Möge es unserem Herrn Pastor noch recht lange vergönnt sein, in dem neuen herrlichen Gotteshaus wie bisher zum Segen der Gemeinde zu wirken.

Was den Verlauf der gestrigen Laurentiusfeier betrifft, so zog nach einem feierlichen Levitenamt die Procession aus und kehrte gegen 12 1/2 Uhr zurück. Darauf wurde von einem Franziskaner-Pater, welcher auch am Nachmittage den herrlichen neuen Kreuzweg einsegnete, die Festpredigt gehalten.“

Viel aufrichtiger Dank und viel Begeisterung sprechen aus diesen Zeilen, die vor 100 Jahren geschrieben wurden!

Sie sind es wert, aufmerksam gelesen zu werden!