1995 - Feierliche Segnung eines Gedenksteins auf dem alten Friedhof von Enkhausen


Am diesjährigen Laurentiusfest wird Herr Pastor Dalkmann auf dem „alten Kirchhof“, der Begräbnisstätte des früheren großen Kirchspiels Enkhausen, einen Gedenkstein segnen. Diese feierliche Handlung geht uns alle an, denn hier ruhen die Toten von Enkhausen, Estinghausen, Hövel und Melschede, von den Freiheiten Hachen und Langscheid, Gut Stemel sowie von 11 Bauernschaften der Oelinghauser Heide.

Seit Beginn unserer Zeitrechnung war kein Jahrhundert so schnellebig wie das, in dem wir leben. Wenn wir, die wir darum wissen, nicht ein Zeichen des Gedenkens setzen, dann werden die Toten und ihre letzte Ruhestätte für immer vergessen sein.

Der Kirchhof gehört zur Kirche und er ist daher so alt wie sie. Unsere Kirche aber ist eine der ältesten des Sauerlandes, denn St. Laurentius Enkhausen gehört zu den Stammkirchen.

Nach den Urkirchen (Menden, Wormbach, Attendorn und Medebach) wurden die Stammkirchen als Mittelpunkt großer Kirchspiele gegründet. Nur so war es möglich, bei der noch geringen Anzahl an Gotteshäusern, die Seelsorge in etwa auszuüben.

Es ist anzunehmen, daß unsere Kirchspielkirche um das Jahr 1000 gegründet wurde, zumal sie das Patrozinium des Hl. Laurentius hat, (Schlacht auf dem Lechfelde im Jahre 955 am Laurentiustag). Genau kann es niemand sagen, denn das Gründungsjahr ist in keiner Urkunde erwähnt oder aufgezeichnet worden. Die Verstorbenen von etwa 25 Generationen (3 Generationen in einem Jahrhundert) des früheren großen Kirchspiels haben auf dem „alten Kirchhof“ ihre letzte Ruhe gefunden.

Seit 1842 gibt es den heutigen Friedhof.

Jahrhundertelang kamen also die Leute des Bereiches von Langscheid bis Retringen und von Hachen bis Melschede mit ihren Toten zum Kirchhof in Enkhausen. Sie schrubbten die pferdegezogenen Wagen, die ihnen werktags bei der täglichen Feldarbeit dienten, blank, schmückten sie mit Blumen und Grün und setzten die schweren dunklen Eichensärge und die kleinen weißen Kindersärge darauf. Dann traten sie den Weg zu ihrem Kirchhof an.

Die Totenwege waren in alter Zeit nicht nur weit, sondern auch sehr beschwerlich, denn die Landstraßen verdienten den Namen nicht. Sie waren nicht geteert, waren steinig, holperig und von tiefen Furchen durchzogen. Es gab keine Entwässerungsgräben und somit sammelte sich bei Regen das Wasser in den Furchen und weichte den Boden schlammig auf. Im Winter machten Eis und Schnee das Gehen gefährlich und das Vorankommen fast unmöglich. So kam zu der Trauer noch eine große Beschwernis. Schritt für Schritt setzte sich der Trauerzug in Bewegung und erreichte irgendwann den Kirchhof in Enkhausen.

Erst Freiherr von Vincke (1774 – 1844), der erste Oberpräsident von Westfalen, sah den Wegebau im kurkölnischen Sauerland als „erste Bedingung des Fortschreitens“ an und setzte sich intensiv und erfolgreich für bessere Wegeverhältnisse ein.

Inzwischen hatten Nachbarn das Grab für den Verstorbenen ausgehoben; sie bekamen dafür Verpflegung und eine Flasche Schnaps. Im Winter, wenn die Erde manches Mal tief gefroren war, muß es in früheren Jahrhunderten für die Menschen eine mühselige, überaus harte Arbeit gewesen sein, mit der Schaufel von Hand ein Grab auszuheben. So soll es gemäß mündlicher Überlieferung vorgekommen sein, daß der Trauerzug schon den Kirchhof erreicht, aber das Grab noch nicht die erforderliche Tiefe hatte.

Früher umschloß eine hohe Mauer den ganzen Bereich des Kirchhofs, grenzte ihn zum Dorf hin ab und reichte bis hoch zum späteren Garten des „Karolinum“.

Heute ist diese Mauer nur noch in Teilstücken in Richtung Nord-Ost zum Dorf hin vorhanden. An der Westseite des steilen Ufers verraten zerfallene, vermooste Steine, daß hier einmal eine Kirchhofsmauer stand. Nichts erinnert mehr an eine Ruhestätte der Toten, denn viele Jahrzehnte und mehrere Jahrhunderte mit dem Wechsel der Jahreszeiten, mit Schnee und Eis, Sonne Regen und Wind haben die ehemaligen Grabhügel abgetragen und auch die letzten Steinreste der Denkmale verschüttet. – Grüner Rasen deckt heute alles zu. – Die Gräber sind längst vergessen und verweht und die Toten, denen mit ihrem Leben „eine kurze Spanne Zeit“ auf dieser Erde zugemessen war, sind heute namenlos.

Daher soll hier im Namen der vielen, längst Vergessenen vom tragischen Schicksal einer jungen Frau aus Langscheid berichtet werden. Sie hieß Anna-Katharina Freiburg und sie wurde im Jahre 1809 in Allendorf geboren. Am 29. September 1835 heiratete sie Johann Theodor Flügge und kam so im Alter von 26 Jahren nach Langscheid. Am 19. September 1837 gebar Anna-Katharina die Zwillinge Theodor und Jakob. Theodor starb 4 Tage und Jakob 5 Tage nach der Geburt. Sie wurden zusammen „auf dem Kirchhof in Enkhausen“ begraben. Zwei Jahre später, am 7. April 1839, gebar Anna-Katharina ihr 3. Kind, ihren Sohn Johann Josef. Nur wenige Wochen nach der Geburt dieses Kindes verstarb sie am 16. Mai 1839 an „Kindbettfieber“. Sie wurde nur 30 Jahre alt. Am 18. Mai 1839 hat man sie „auf dem Kirchhof in Enkhausen“begraben.

Es war Frühling und Anna-Katharina war im Mai ihres Lebens.

Die Toten aus acht Jahrhunderten, die auf dem alten Kirchhof ihre letzte Ruhe gefunden haben, sollen nicht vergessen werden. Sie waren unsere Vorfahren; wir leben durch sie.

Der Stein – gebrochen aus heimischem Fels – mit der Bronze-Tafel und der Inschrift:

„DIES IST GEWEIHTE ERDE. HIER RUHEN DIE TOTEN DES ALTEN KIRCHSPIELS ENKHAUSEN. BIS 1842 WAR HIER DER KIRCHHOF.“

Soll für alle Zeit die Erinnerung an die, die vor uns waren, wachhalten. Er soll zugleich Mahnung sein, die Ruhestätte der Toten zu achten und zu ehren.